ich darf Sie an dieser Stelle herzlich willkommen heißen im historischen Krönungssaal des Aachener Rathauses
und zunächst hoffen, dass sich unsere englischen Gäste an diesem Wochenende bei uns wohl und wie unter
Freunden fühlen. Wir freuen uns, dass Sie da sind und wir mit Ihnen 30 Jahre Städtepartnerschaft feiern dürfen.
Gleichzeitig bedanke ich mich für die musikalische Einstimmung durch den Chor der Viktoriaschule unter Leitung
von Herrn Urs Wörner.
“Come Again”, das Stück, das wir gerade hörten stammt aus der Feder des englischen Komponisten John
Dowland. Dieser wirkte im 16. Jahrhundert in England, Deutschland, Italien und Frankreich als Musiker, bevor er
1612 am königlichen Hof in England angestellt wurde. Schon damals gab es also Grenzgänger mit
außergewöhnlichen Reise- und Auslandserfahrungen, sozusagen Mittler zwischen den Völkern.
Noch bevor von unserer Städtepartnerschaft oder –freundschaft überhaupt die Rede war, schrieb die junge Vera
Lynn im Krieg diese wunderbare Hymne, “We’ll meet again”. Ein Lied, das bereits damals die Herzen der
Menschen im 2. Weltkrieg bewegte und zu dessen größten Freunden im Übrigen der Mann gehörte der genau an
dieser Stelle hier im Jahr 1955 den Karlspreis der Stadt Aachen verliehen bekam, Sir Winston Churchill.
Heute, im stolzen Alter von 92 Jahren erlebt Vera Lynn ein grandioses Comeback Ihres Songs, der auf Platz 1
der englischen Hitparade hochschnellte und uns unweigerlich an den Wurzelgrund unserer Städtefreundschaft
erinnert; an die unmittelbare Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, als Vera Lynns Lied noch immer für
die britische Armee im Radio gespielt wurde.
Seit Juni 1945 gehörte Aachen, nachdem Deutschland in vier Besatzungszonen aufgeteilt worden war, zur
britischen Besatzungszone. Im Rückblick können wir feststellen: Anders als die Besatzung nach dem Ersten
Weltkrieg empfanden die Aachener die Briten durchaus als Freunde. Schon im Schatten der Armee kamen
britische Quäker in ihren blaugrauen Uniformen und mit ihren markanten Sanitätsautos nach Aachen, um der
notleidenden Bevölkerung in der zerstörten Stadt humanitär zu helfen.
Nahrungsmittel für die hungernde Bevölkerung, Übernahme wichtiger Transporte, Hilfe bei der Jugendarbeit und
Kultur waren die ersten Schritte, die nach und nach zu den offiziellen Siegen der Militärregierung wurden, die im
Januar 1947 zum Beispiel das British-Centre “Die Brücke” mit Bibliothek und öffentlichen Leseraum einrichtete.
Vor allem aber sorgte die Militärregierung dafür, dass wir in Aachen intensiviert Erfahrungen mit der
demokratischen Verwaltung einer Stadt machen konnten. In unserem Rathaus lagern noch heute die
Ratsprotokolle aus dieser Zeit, die allesamt in deutscher wie auch in englischer Sprache abgefasst wurden.
In dieser Atmosphäre der Freundschaft sorgten Pioniere europäischen Geistes, wie der Jugendoffizier Eccles der
britischen Militärregierung dafür, dass Menschen beider Seiten des Ärmelkanals einander begegnen, sich kennen
lernen, austauschen, versöhnen und verstehen konnten.
Dies führte dazu, dass bereits am 1. Dezember 1948 englische Erzieher aus Halifax Aachen besuchten und
freundschaftliche Beziehungen zwischen den beiden Städten angebahnt werden konnten.
Dem Vorsitzenden des Erziehungsausschusses in Halifax, Alderman Whitley, der Initiator dieses Austausches
war, dürfen wir bis heute dankbar sein. Ein jährlicher Besucheraustausch, insbesondere von Jugendlichen wurde
vereinbart. Schon 1950 reisten auch 6 Vertreter der Stadt mit nach Halifax, ein Jahr später erfolgte der
Gegenbesuch.
Eine offizielle Städtepartnerschaft war das noch nicht, zwar wurde im März 1952 ein Patenschaftsverhältnis
gegründet, doch niemand dachte daran, die Beziehungen zwischen unseren Städten vertraglich festzulegen.
Warum auch? Die Menschen brauchten keine Grundlage, um ihre Freundschaft über die weite Distanz hinweg
mit Leben zu füllen.
Die Beziehungen zwischen Aachen und Halifax waren von Beginn an einer Sache der Bürgerinnen und Bürger
beider Städte selbst, ein Rathaustourismus der Offiziellen fand nicht statt. Erst vor 30 Jahren wurde der
überfällige Schritt zur offiziellen Unterzeichnung eines Partnerschaftsvertrages beschritten. Es war ein formaler
Akt, den niemand über Jahrzehnte hinweg vermisste.
Auch heute am Feiertag des 30-jährigen Bestehens unserer Städtepartnerschaft muss ich sagen, dass die
formale Partnerschaft nicht das Wichtigste ist – auch wenn ich mich sehr freue, diese heute zusammen mit
meinem Amtskollegen offiziell erneuern zu dürfen. Entscheidend sind die Kontakte der Menschen: Verständnis,
Vertrauen, Freundschaft. Sie tragen bei zu Frieden, Freiheit und Demokratie, sind auch Teil des europäischen
Integrationsprozesses.
Heute sind die Aufgaben einer Städtepartnerschaft andere als in den Anfangsjahren. Heute gilt es die Normalität
des europäischen Alltags zu nutzen: Schüleraustausche, Vereinskontakte, touristische Reisen und
Begegnungen, aber dabei zu sein, wenn es gilt aus Europa eine Einheit zu machen.
Heute gilt es vor allem, die jungen Menschen als Kapital für die Zukunft zu begeistern und ihnen zu
verdeutlichen, dass die in Europa errungenen Werte nicht selbstverständlich sind, sondern erarbeitet werden
müssen, ihnen zu verdeutlichen, dass Städtepartnerschaften ein wichtiger Teil der Außenpolitik und
Friedensarbeit sind.
Ich freue mich über die Schulpartnerschaft, die wir haben, über die Beziehungen junger Handwerker und
Künstler, über viele familiäre Bande. Ich meine aber auch, dass wir Städtepartnerschaften neu beleben müssen,
weil die neuen Ziele noch nicht von allen getragen werden. Zusammenarbeit in der Wirtschaftsförderung, bei den
großen Herausforderungen für unsere Städte durch die Globalisierung, die Migration, die soziologischen
Veränderungen, die Verkehrs- und ökologischen Belastungen, oder auch die finanzielle Ressourcenknappheit.
Im Sinne der einen Verantwortung für die eine Welt ist auch überlegenswert, ob Städtepartnerschaften
gemeinsam Entwicklungsprojekte in der Dritten Welt unterstützen.
Am 30. Jahrestag unseres Bestehens können wir auf eine Erfolgsgeschichte zurückblicken, müssen uns aber
neu definieren. Es gibt viel Potenzial, das in neue Ziele investiert werden kann.
Die Erneuerung des Partnerschaftsvertrages ist deshalb heute für beide Städte auch eine Verpflichtung, den
neuen Herausforderungen für die Zukunft gerecht zu werden. Dies merken wir auch in den vielen
bürgerschaftlichen Initiativen für Städtepartnerschaften, vielleicht auch beim Partnerschaftsverein Aachen-
Halifax: Aktivposten des Austauschs machen ihre Arbeit schon seit längerer Zeit, allein der Nachwuchs und die
Beteiligung der jüngeren Generation gestaltet sich mühsam.
Dem gegenüber müssen wir uns vor Augen halten, dass jede Generation die Partnerschaft aufs Neue für sich
definieren muss, sie laufend neu zu erfinden hat und Gestalt und Wesen der Städteverbindung veränderten
Zeiten anpassen muss. Dies ist eine Herausforderung, der wir uns in der Zukunft stellen müssen.
Ich bin sicher, mit 30 Jahren offizieller Partnerschaft und mehr als 6 Jahrzehnten vitaler Begegnungen zwischen
Halifax und Aachen ist eine Basis dar, um die Zukunft mit junger Kraft zu meistern. Die Partnerschaft mag neue
Formen bekommen, ihr Inhalt, die Arbeit an der innereuropäischen Begegnung, der Aufbau von Freundschaft
durch Kennenlernen und sich verstehen wird bleiben.
Und deshalb wird es noch viele Male heißen: ”Come Again! - We’ll meet again!”
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